Die Alte Süderelbe ist ein ehemaliger Nebenarm der Tideelbe, der bis 1962 bei Airbus und am Köhlbrandt mit der Tideelbe verbunden war. Nach der Flut 1962 wurde die Alte Süderelbe von der Tideelbe
getrennt, um zukünftig ähnliche Katastrophen zu verhindern. Seit 1962 hat sich die Alte Süderelbe, zu der auch zwei Naturschutzgebiete gehören, zu einem einzigartigen Naturparadies mit vielen
seltenen und bedrohten Tier- und Pflanzenarten entwickelt.
Nun ist dieses Paradies in Gefahr, denn Hamburgs Senat will die Alte Süderelbe wieder an die Tideelbe anbinden. Die Hansestadt hat ein Problem: Durch die Elbvertiefungen der Tideelbe und die
damit verbundenen Abdeichungen und Ausbaumaßnahmen hat sich deren Tidenhub erheblich verstärkt. Vor allem der Flutstrom bringt ordentlich Schlick mit nach Hamburg und verstopft die
Fahrrinne und den Hafen. So ist die Sorge von Wirtschaft und Politikern groß, dass die größten Pötte der Welt den Hamburger Hafen nicht mehr anlaufen können.
2016 wurde deshalb das "Forum Tideelbe" (ein Gremium, zu dem die drei Anrainerstaaten der TIdeelbe sowie diverse Institutionen und Initiativen gehörten) gegründet. Unter dem Deckmantel den
"Lebensraum Tideelbe nachhaltig verbessern zu wollen", wurde nach Mitteln gesucht, dem Schlick Herr zu werden und die Fahrrinne frei zu halten. Ehemalige
Nebenarme sollten geöffnet werden, angeblich "um der Natur mehr Raum zu geben" . Tatsächlich aber wollte man sie schlichtweg als Schlickfallen nutzen.
Von insgesamt 20 angedachten Projektideen blieben drei übrig: Die Wiederanbindung der Dove Elbe, der Haseldorfer Marsch und der Alten Süderelbe an die
Tideelbe.
2020 wurde entschieden, dass lediglich die Öffnung der Haseldorfer Marsch und der Wiederanschluss der Alten Süderelbe im Rennen bleiben. Die dritte Maßnahme, der Wideranschluss der Dove Elbe, war
bereits ad Acta gelegt worden – obwohl der Bericht des Forums Tideelbe, der dieser Entscheidung zugrunde lag, zu der Erkenntnis kam, das grundsätzlich zwar alle drei Maßnahmen machbar sind, sie
jedoch "die hydrologischen und ökologisch nachteiligen Entwicklungen in der Tideelbe nicht grundlegend ändern können".
Die Empfehlung zur einzig wirklich sinnvollen Maßnahme – keine Elbvertiefung – findet sich im Bericht des Forums nicht.
Eine Wiederanbindung an die Tideelbe wäre, durch die notwendigen Flutschutzbauten, für die Alte Süderelbe eine ökologische Katastrophe, würde den hier ansässigen Obstanbau nachhaltig gefährden
und ein Gebiet, das von Neu Wulmstorf bis Harburg reicht, durch Starkregen oder Hochwasser bedrohen.
Die Öffnung der Alten Süderelbe bei vollem Tidenhub soll dazu beitragen, dass in der Stromelbe das Kräfteverhältnis von Flut- und Ebbstrom besser austariert wird.
- Der Einfluss auf das Tideregime zwischen Cuxhaven und Hamburg würde jedoch nur sehr gering sein, da bei Glückstadt ca. 215 Mio. m3 Wasser je Tide ankommen, in Finkenwerder dagegen nur
noch knapp 4 Mio. m3.
- Der Effekt auf die Tide würde damit etwa bei 3 bis 4 cm liegen, wäre also weniger als marginal zu nennen.
Eine einseitige Öffnung würde wie ein „Sack“ wirken – die Sedimente würden Richtung Airbus treiben uns sich dort ablagern.
- In die Alte Süderelbe eingetragene Sedimente und Schlick würden zu Boden sinken und sie, genauso wie das vorgelagerte Köhlfleet, zu einer riesigen Schlickfalle machen. Wie so etwas
aussieht, ist hervorragend duch das Mühlenberger Loch dokumentiert.
- Selbst der marginale Effekt auf die Tide in der Stromelbe würde auf Dauer durch die Sedimentation aufgehoben werden.
- Ständige Unterhaltsbaggerungen müssten durchgeführt werden.
Die Auswirkungen auf Flora und Fauna an der Alten Süderelbe wären eindeutig negativ.
- Durch die Tide und die notwendigen Baggerungen würde ein möglicher Kontakt zwischen Oberflächen- und Grundwasser verstärkt. Die Auswirkung wäre nicht vorhersehbar. Die Wahrscheinlichkeit
einer Verschlechterung der Wasserqualität und damit ein Nichteinhalten der europäischen Wasserrahmenrichtlinie wäre aber anzunehmen.
- Der Einfluss auf auf die Lebensräume von Amphibien, Vögel und Säugetiere wäre immens. So würde zum Beispiel der Eisvogel neben insgesamt neun weiteren Arten seinen Lebensraum vollständig
verlieren. Weitere Arten müssten mit einer deutlichen Verschlechterung ihres Habitats zurechtkommen. Die sehr gute Fischpopulation, zu der unter anderem Schleie, Rotauge, Rotfeder, Aland,
Brachsen, Hecht, Zander, Rapfen, Flussbarsch und Aal gehören, würde sich völlig verändern.
- Rechtliche Vorraussetzung für die (weitere) Vertiefung der Stromelbe ist unter anderem die Schaffung von großen Flachwasserzonen. Genau dies bietet die Alte Süderelbe bereits jetzt und
ist als Biotop in Hamburg damit einzigartig. Durch eine zweiseitige Öffnung bei voller Tide würde dieses Biotop zugunsten eines Fließkanals unwiderruflich zerstört werden.
- Durch die notwendigen Nachbaggerungen würde das Gebiet nie zur Ruhe kommen und die Natur erheblich gestört werden.
Um die Maßnahme überhaupt durchführen und einen sicheren Hochwasserschutz gewährleisten zu können, wären erhebliche Baumaßnahmen notwendig.
- Am Storchennestsiel müsste ein mindestens 65 m breites Sperrwerk gebaut und hierfür teilweise in Privatbesitz befindliche Flächen genutzt werden. Ob das Sperrwerk funktionstüchtig
gehalten werden kann darf hinterfragt werden, da bereits das neu ertüchtigte 42 m breite Sperrwerk an der Este im November 2019 durch Verschlickung für zwei Wochen nicht geschlossen werden
konnte. Das mitten in der Sturmflutsaison hier nichts passiert ist, ist allein dem Zufall zu verdanken.
- Trotz Sperrwerken müsste der Flutschutz durch meterhohe Spundwände und Deicherneuerungen sichergestellt werden, da die vorhandenen Deiche weder dem heutigen Standart entsprechen noch
funktionstüchtig sind.
- Eine Verrohrung im Westen unter der Airbus-Landebahn wäre als Durchlass für eine volle Tide schon durch die Größe der Bauwerke nicht umsetzbar. Eine zweiseitige Öffnung der Alten
Süderelbe schließt sich damit aus und wurde vom Forum auch nicht weitergehend betrachtet, da das neu geschaffene Verbindungsgewässer als Durchlass ebenfalls nicht geeignet wäre.
Diverse Gebiete um die Alte Süderelbe entwässern sich in die Alte Süderelbe, die das Wasser dann wiederum in die Stromelbe abgibt.
- Bei Starkregen und stürmischen Westwindwetterlagen könnte das anfallende Oberflächenwasser aus den Gräben nicht entwässert werden, da der Wasserstand in der Alten Süderelbe dann höher
wäre als im Binnenland. Tiefer liegende Gebiete würden regelrecht „absaufen“. Durch den Klimawandel würde dies noch verschärft werden.
- Der gesamte Süden Finkenwerders und andere Gebiete würden einen erheblichen Anstieg des Grundwasserspiegels erleben, da viele nur ein- bis zwei Meter über NHN liegt. Dies würde ohne
geeignete Gegenmaßnahmen zu massiven Vernässungen und Gebäudeschäden führen.
- Die gesamte, gerade für viele Millionen Euro umgesetzte, wasserwirtschaft-liche Neuordnung des Gebietes wäre hinfällig.
Eine Öffnung bei voller Tide wäre durch die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse nur schwer durchsetzbar.
- Das benötigte gleichmäßige Wasserdargebot für den Obstbau wäre nicht mehr gewährleitet, mit verstärkten Grundwasserschwankungen sowie mit einem steigenden Salzgehalt und damit
Erntereduzierungen bis zum Erntetotalausfall wäre zu rechnen.
- Private Grundstücke würden tideabhängig zu einem Großteil überflutet bzw. müssten durch meterhohe Spundwände geschützt werden. Dies würde eine deutliche Wertminderung der Grundstücke
bedeuten.
- Die Eigentümer und Anrainer sind nicht bereit, ihre Flächen dafür herzugeben und haben dies mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die Unterschriften liegen dem Forum Tideelbe vor.
- Bei einem Festhalten an dem Plan einer Öffnung der Alten Süderelbebei vollem Tidenhub werden die Betroffenen auch rechtliche Schritte unternehmen.